Diabetes beim Zahnarzt - Bayerwaldzahn-Zahnärztin Viktoria Rankl im Interview mit dem Magazin Waldwärts

Diabetes beim Zahnarzt – Im Interview mit dem «Waldwärts-Magazin»

In der Welt der zahnärztlichen Gesundheitsvorsorge ist die Bedeutung einer sorgfältigen Überwachung und Pflege des Mundraums allgemein bekannt. Doch in den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass eine umfassende Zahngesundheit weit über das Zähneputzen und regelmäßige Zahnarztbesuche hinausgeht, insbesondere für Menschen, die an Diabetes leiden. Diabetes, eine weit verbreitete Stoffwechselerkrankung, hat nicht nur Auswirkungen auf den Blutzuckerspiegel, sondern kann auch erhebliche Folgen für den Zahnhalteapparat und die allgemeine Mundgesundheit haben.

Im Interview mit dem Magazin Waldwärts erklärt Zahnärztin Viktoria Rankl den Zusammenhang.

Ein regelmäßiges Röntgen gehört für die meisten Zahnarztbesucher zu den Routine-Maßnahmen bei einem Kontrollbesuch. Doch in Ihrer Praxis wird darüber hinaus auch der Blutzuckerwert mit einbezogen. Warum ist dieser für einen Zahnarzt wichtig?
Diabetes ist eine Stoffwechselerkrankung und wirkt sich auf den gesamten Körper aus, einschließlich der Wundheilung und des Immunsystems. In den letzten Jahren hat sich klar gezeigt, dass Diabetes auch ein bedeutender Risikofaktor für Parodontitis ist. Der sogenannte HbA1c-Wert (Langzeitblutzuckerwert) gibt Aufschluss darüber, wie gut Diabetes unter Kontrolle ist und welches Risiko für Parodontitis als Folgeerkrankung besteht. In vielen Fällen fragen wir als Zahnärzte den Blutzuckerwert direkt beim Hausarzt an, und oft haben Patienten auch ein Heftchen mit ihren Messwerten zur Verfügung, die uns über den Wert Auskunft geben.

Was ist Parodontitis und wie wirkt es sich auf die Zähne aus?
Parodontitis leitet sich vom griechischen Wort «Parodontium» ab, dass den Zahnhalteapparat beschreibt. Der Zahnhalteapparat besteht aus verschiedenen Strukturen, die den Zahn im Knochen verankern. Im Gegensatz zur Annahme, dass Zähne fest mit dem Schädel verwachsen sind, werden sie durch zahlreiche kleine Fasern in den Zahnfächern gehalten. Die Wortendung «-itis» in der Medizin steht für Entzündungen. Parodontitis ist also eine Entzündung des Zahnhalteapparats, die oft chronisch verläuft. Die Symptome entwickeln sich schleichend. Die fortwährende Entzündung führt dazu, dass der Körper das entzündete Gewebe abbaut. Das Zahnfleisch und die Fasern ziehen sich zurück, und der Knochen wird abgebaut. Dies führt dazu, dass die Zähne ihre Stabilität verlieren, locker werden und ausfallen können.

Welche Auswirkungen hat ein erhöhter Blutzuckerwert auf den Körper und Mundraum?
Der Mechanismus ist komplex, aber vereinfacht ausgedrückt: Ein dauerhaft erhöhter Blutzuckerspiegel führt zur vermehrten Bildung von AGEs (advanced glycation end products | Zu Deutsch etwa: fortgeschrittene Verzuckerungs-Endprodukte) im Körper. Diese AGEs lösen Entzündungen und Folgeerkrankungen der Diabetes aus, wie zum Beispiel Erblindung oder Alzheimer. Die Rezeptoren für AGEs (RAGE) befinden sich auch im Zahnhalteapparat. Wenn AGEs an diese Rezeptoren binden, werden Entzündungen gefördert. Dies spielt nicht nur bei der Parodontitis eine Rolle, sondern auch bei chirurgischen Eingriffen. Ein erhöhter HbA1c-Wert beeinträchtigt das Immunsystem, die Durchblutung und die Wundheilung. In Kombination mit den durch AGEs ausgelösten Entzündungsneigungen kann dies für uns Zahnärzte problematisch sein. Bei schlecht eingestellten Diabetikern sind wir sogar gezwungen, vor Eingriffen Antibiotika zu verabreichen, um Entzündungen im Knochen zu verhindern.

Kann sich eine bereits bestehende Parodontitis auch auf den Diabetes auswirken?
Ja, sie kann sogar Diabetes auslösen. Bei Infektionen im Körper werden vermehrt Stresshormone wie Adrenalin freigesetzt. Adrenalin bewirkt, dass die Leber mehr Glucose produziert, was zu einem Anstieg des Blutzuckerspiegels führt. Bei chronischen Entzündungen wie Parodontitis haben wir also einen dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel, der Diabetes bei genetischer Veranlagung auslösen kann.

Was sollten speziell Diabetiker beachten, um ihren Zahnhalteapparat möglichst gesund zu erhalten?
Diabetiker sollten gezielt ihre Risikofaktoren minimieren. Zu den relevanten Risikofaktoren für Parodontitis zählen unter anderem die Bakterienzahl im Mund, die Verweildauer dieser Bakterien im Mundraum sowie externe Reize wie Rauchen. Daher spielt eine vorbildliche Mundhygiene eine entscheidende Rolle, da sie die Bakterienpopulation auf niedrigem Niveau hält. Dies wird vor allem durch gründliches Zähneputzen erreicht, da Mundspülungen allein begrenzte Effektivität aufweisen. Je geringer die Anzahl der Mundbakterien ist, desto weniger Belastung erfährt das Immunsystem. Um Entzündungen zu reduzieren, ist es ebenso hilfreich, im Mundraum ein basisches Milieu zu etablieren, da Entzündungen normalerweise in einem sauren Umfeld gedeihen. Basische Getränke oder Lebensmittel wie Gemüse und Gemüsesäfte können den pH-Wert in den basischen Bereich verschieben. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass dies eine unterstützende Maßnahme ist und nicht die eigentlichen Ursachen der Parodontitis bekämpft. Zusätzlich ist eine enge Zusammenarbeit mit dem Zahnarzt und dem Hausarzt ratsam. Während der Zahnarzt an der Minimierung von Risikofaktoren für Parodontitis arbeitet, kann der Hausarzt bei der Diabeteskontrolle unterstützen. Es ist generell empfehlenswert, regelmäßige Zahnarztuntersuchungen zu erhöhen, um eine eventuelle Parodontitis frühzeitig zu erkennen. Eine weitere wichtige Säule zur Erhaltung des Zahnhalteapparats sind regelmäßige professionelle Zahnreinigungen, bei denen hartnäckige Beläge entfernt werden, die durch herkömmliche häusliche Mundhygiene nicht beseitigt werden können.

Wen betreffen zahnmedizinisch relevante Auswirkungen von Diabetes hauptsächlich – kann man sagen, ob davon eher Frauen/Männer, jüngere oder ältere Menschen betroffen sind?
Es ist schwierig, die zahnmedizinischen Auswirkungen von Diabetes pauschal auf bestimmte Altersgruppen oder Geschlechter zu reduzieren, da mehrere Faktoren in dieser Gleichung eine Rolle spielen. Eine genetische Veranlagung kann eine Rolle spielen, da einige Menschen möglicherweise anfälliger für Diabetes und dessen Auswirkungen auf den Zahnhalteapparat sind als andere. Darüber hinaus können Lebensstilfaktoren wie Ernährung, Rauchen und Stress das Risiko für Zahngesundheitsprobleme bei Diabetikern beeinflussen. Für Zahnärzte sind jedoch in erster Linie der HbA1c-Wert und die Mundhygiene des Patienten von entscheidender Bedeutung, wenn es darum geht, das Risiko von Zahnproblemen im Zusammenhang mit Diabetes zu bewerten. Der HbA1c-Wert gibt Aufschluss darüber, wie gut der Blutzuckerspiegel eines Patienten über einen längeren Zeitraum reguliert wird, und ist daher ein wichtiger Indikator für das Diabetesmanagement. Eine gute Mundhygiene, einschließlich regelmäßigen Zähneputzens, Zahnseiden und Zahnarztbesuchen, kann dazu beitragen, das Risiko von Zahnfleischerkrankungen und Parodontitis zu reduzieren. Es ist jedoch wichtig zu betonen, dass die individuelle Reaktion auf Diabetes und dessen Auswirkungen auf die Zahngesundheit variieren kann. Daher ist eine individuelle Bewertung und Betreuung durch den Zahnarzt von entscheidender Bedeutung, um die bestmögliche Mundgesundheit für jeden Patienten sicherzustellen, unabhängig von Alter oder Geschlecht.

Viktoria Rankl

Viktoria Rankl

Zahnärztin im Bayerwaldzahn MVZ Zwiesel